ee) Auszahlungsvoraussetzungen
(aa) Obliegenheiten der Bank
Dem Erfordernis, dass der mit einer Bundesdeckung unterstützte Export auch tatsächlich durchgeführt wird, kommt eine besondere Bedeutung zu. Die Anforderungen des Bundes an die Auszahlungsvoraussetzungen, die mit der Neufassung des § 15 Nr. 2 der Allgemeinen Bedingungen für Finanzkreditdeckungen per 1.1.2012 konkretisiert wurden, sollen diesem Ziel dienen.
Die Definition der Anforderungen basiert auf einem Vertrauensverhältnis zwischen dem Exporteur, der Bank und dem Bund. Der Bund möchte ausdrücklich die Gestaltungshoheit für das Exportgeschäft, insbesondere die Vereinbarung der Zahlungsbedingungen, beim Exporteur belassen. Vermieden werden soll zudem die Schaffung von Prozessen, die dem Ablauf einer Transaktion zuwiderlaufen. Insbesondere dürfen die Nachweispflichten nicht dazu führen, dass der Exporteur seine Verhandlungs- bzw. Vertragsposition durch eigentlich nicht vorgesehene Mitwirkungshandlungen des Bestellers grundlos verschlechtert oder aufgrund unverhältnismäßiger Anforderungen übergebührlich viel Zeit und Ressourcen für die Sammlung und Aufbewahrung der erforderlichen Nachweise aufwenden muss.
Seit Januar 2014 sind die Mindeststandards für die Auszahlungsvoraussetzungen in einem Referenzpapier festgehalten, dessen Inhalt im Folgenden wiedergegeben wird. Diese Mindeststandards stellen ausdrücklich keine abschließende Regelung dar. Für Spezialfälle bleibt in Abstimmung mit dem Bund ausreichend Flexibilität. Insoweit ist auch keine Geschäftskonstruktion per se ausgeschlossen. Entscheidend ist, dass die Bank ihre Obliegenheiten aus dem Gewährleistungsvertrag mit banküblicher Sorgfalt erfüllt.
Nach § 15 Nr. 2 der Allgemeinen Bedingungen für die Deckung gebundener – also kombinierter oder isolierter – Finanzkredite (FKG) gehört es zu den Obliegenheiten der Bank, sich vor Auszahlung des gedeckten Finanzkredits unter Wahrung banküblicher Sorgfalt davon zu überzeugen, dass der Exporteur ihr gegenüber die Erbringung der in der Gewährleistungserklärung genannten Lieferungen und Leistungen nachgewiesen hat.
Maßgeblich für den vom Exporteur zu erbringenden Nachweis sind die in der Gewährleistungserklärung dokumentierten Auszahlungsvoraussetzungen. Diese stellen in der Regel pauschal auf den Nachweis durch „Liefer-/Leistungsdokumente sowie Rechnung“ ab. Die Bank hat diese Dokumente einer Plausibilitätsprüfung zu unterziehen. Sie darf Auszahlungen aus dem Finanzkredit erst dann vornehmen, wenn sie nach dieser Prüfung zu der Überzeugung gelangt ist, dass die von ihr beabsichtigten Auszahlungen den vom Exporteur nach Lage der Dokumente erbrachten Lieferungen und Leistungen entsprechen.
Die Bank darf sich bei dieser Plausibilitätsprüfung grundsätzlich auf die Angaben des Exporteurs – insbesondere betreffend Warenursprung, ausländische Zulieferungen, örtliche Kosten oder Bestimmungsort – verlassen. Sollten jedoch erhebliche Zweifel an der Durchführung des dokumentierten Exportgeschäfts aufkommen, muss sich die Bank beim Exporteur der Richtigkeit der Angaben vergewissern. Die Richtigkeit dieser Angaben gehört zum Pflichtenkreis der Exporteure, die Bank darf sich auf dessen Angaben verlassen. Eine eigene Obliegenheit der Bank gegenüber dem Bund besteht insoweit nur dann, wenn schon auf den ersten Anschein die Angaben des Exporteurs nicht plausibel erscheinen. Die entstandenen Zweifel müssen vor jeweiliger Auszahlung des Finanzkredits ausgeräumt werden.
Die Pflichten der Banken einerseits und der Exporteure andererseits beziehen sich nur auf ihren jeweils eigenen Pflichtenkreis. Es bleibt dabei, dass die Bank keine lückenlose „Garantiehaftung“ für die Performance des Exporteurs übernehmen soll. Sie trägt die Verantwortung für die Gestaltung des Kreditvertrages, insbesondere für die Konformität der Auszahlungsbedingungen mit den Mindeststandards und gegebenenfalls für die Sicherheitendokumentation. Der Finanzkredit bleibt rechtlich abstrakt vom Exportvertrag. Insbesondere fallen Fragen einer etwaigen Mangellieferung o. Ä. nicht in die Prüfpflichten der Bank. Der Exporteur hat dafür Sorge zu tragen, dass das Exportgeschäft so wie dokumentiert tatsächlich stattfindet.
(bb) Nachweis bei Liefergeschäften
Einseitige Erklärungen des Exporteurs zur Bestätigung erfolgter Lieferungen ohne begleitende Transport- oder vergleichbare Dokumente sind grundsätzlich nicht als Auszahlungsvoraussetzung geeignet. Dies gilt auch dann, wenn der Besteller auf eine Gegenzeichnung ausdrücklich verzichtet oder er vorher erklärt hat, er werde die Lieferungen im Voraus als vertragsgemäß erbracht ansehen.
Aus den zu prüfenden Liefernachweisen einschließlich sonstiger Dokumente muss in der Gesamtschau hervorgehen, dass ein plausibler Bezug zum Liefervertrag, der Grundlage des in Deckung genommenen gebundenen Finanzkredits ist, besteht.
Geeignete Liefernachweise sind insbesondere:
- Frachtbriefe (auch multimodal), Konnossement
- Ladeschein
- Spediteurübernahmebescheinigung
- Posteinlieferungsschein
- Kurierübernahmebestätigung
- Einlagerungsschein in ein Drittlager
Grundsätzlich nicht geeignet sind insbesondere:
- Zertifikate o. ä. Dokumente, die vom Exporteur und/oder Besteller/Darlehensnehmer unterschrieben werden;
- Sammelbelege (z. B. Certificate of Import Figure), mit denen der ausländische Darlehensnehmer pauschal bestätigt, dass irgendwelche Ware im benannten Zeitraum importiert wurde.
Bei örtlichen Kosten und ausländischen Zulieferungen können auch vergleichbare oder sonstige Nachweise mit möglichst hoher Aussagekraft und entsprechendem Konkretisierungsgrad akzeptiert werden. Grundsätzlich kommt auch ein Abnahmezertifikat des Bestellers in Betracht, wenn keine aussagekräftigen Liefernachweise erhältlich sind.
(cc) Nachweis bei Leistungsgeschäften
Als geeignete Leistungsnachweise kommen Zertifikate, Abnahmeprotokolle o. Ä. in Betracht, die vom Leistenden ausgestellt und vom Besteller oder einem von ihm bevollmächtigten Dritten unterzeichnet sind. Beträgt der Leistungsanteil am Gesamtauftragswert maximal 30 %, kann als Auszahlungsnachweis auch eine einseitige Erklärung des Exporteurs vereinbart werden. Die unterzeichneten Leistungsnachweise müssen inhaltlich Bezug nehmen auf die vertraglich geschuldete Leistung und den der Finanzkreditdeckung zugrunde liegenden Exportvertrag.
(dd) Spezialfälle
Die Prüfungspflicht der Bank bei Auszahlungen aus einem gedeckten Finanzkredit bestand schon vor der Änderung der Allgemeinen Bedingungen. Die Behandlung der nachfolgend dargestellten Spezialfälle entspricht im Wesentlichen der bisherigen Praxis.
Ist nach den vertraglichen Vereinbarungen vorgesehen, dass die Verfügungsgewalt über die Ware auf den Importeur bereits in Deutschland übergehen soll (z. B. Incoterms EXW, Einlagerung in ein Drittlager) und mit Übergang die Auszahlungen aus dem Finanzkredit vorgenommen werden sollen, so hat die Bank aufgrund geeigneter Dokumente zu prüfen, ob der Exporteur mit der Erfüllung seiner Lieferverpflichtungen die grenzüberschreitende Warenverbringung eingeleitet hat. Die tatsächliche grenzüberschreitende Verbringung der Ware braucht die Bank nicht nachträglich zu prüfen, es sei denn, sie hat einen konkreten Anlass daran zu zweifeln, dass die Ware ins Ausland verbracht wird.
Geeignete Nachweisdokumente sind insbesondere:
- Spediteurübernahmebescheinigung
- Zolldokumente, soweit erhältlich
- Lagerschein bei Einlieferung der Ware in ein Drittlager, indossiert an Order des Bestellers
- Übernahmezertifikat, vom Exporteur ausgestellt und bei Selbstabholung durch den Besteller von diesem unterzeichnet
Im Erstattungsverfahren gelten grundsätzlich die gleichen Anforderungen wie im Direktauszahlungsverfahren. Zusätzlich muss der Zahlungseingang beim Exporteur auf der Grundlage eines bankseitigen Nachweises (Kontoauszüge, Gutschriftsanzeigen etc.) geprüft werden. Nachweise über die Ingangsetzung der Zahlung an den Exporteur (z. B. Swift-Mitteilungen) sind allein grundsätzlich nicht ausreichend.
Der Bezug zum zugrundeliegenden Exportgeschäft und zum Besteller/Darlehensnehmer ist zu plausibilisieren.
Auszahlungsvoraussetzung bei Progress Payments ist, dass der Darlehensnehmer die Auszahlung des jeweiligen Darlehensbetrages an den Exporteur gegen sich gelten lässt und hierbei der erzielte Fertigungsfortschritt bestätigt wird. Das Vorliegen dieser Voraussetzung ist vom Exporteur durch von ihm ausgestellte Zertifikate über den jeweiligen Fertigungsfortschritt nachzuweisen, auf denen der Besteller/Darlehensnehmer oder ein von ihm beauftragter Dritter erklärt, die Auszahlung aus dem Finanzkredit gegen sich gelten zu lassen. Sind Besteller und Darlehensnehmer nicht identisch, ist das Zertifikat von beiden zu unterzeichnen. Diese Erklärungen können durch export- oder kreditvertragliche Vereinbarungen nicht vorweggenommen werden. Eine bloße Rechnung des Exporteurs, selbst wenn sie vom Darlehensnehmer und ggf. vom Besteller gegengezeichnet ist, ist kein geeigneter Nachweis.
Sofern die Auszahlungen aus dem Finanzkredit über ein Akkreditiv vorgenommen werden sollen, müssen die darin vereinbarten Liefer- und Leistungsnachweise den hier beschriebenen Mindeststandards entsprechen.
(ee) Originale/Kopien und Aufbewahrungsfristen
Für die Prüfung sind Kopien ausreichend. Werden der Bank jedoch Originale vorgelegt, ist die Prüfung anhand dieser vorzunehmen. Die geprüften Dokumente sind von den Banken bis zur vollständigen Enthaftung des Finanzkredits aufzubewahren. Bei Originalen ist eine Kopie des geprüften und weitergeleiteten Originals aufzubewahren. An geeigneter Stelle ist die Übereinstimmung mit dem Original zu vermerken. Eine elektronische Archivierung ist ausreichend.
Wird die Prüfung der Dokumente oder die Aufbewahrung durch Dritte vorgenommen, etwa im Rahmen eines Konsortiums oder bei Einschaltung einer Drittbank in die Abwicklung per Akkreditiv, so haben die deckungsnehmenden Banken sicherzustellen, dass sie bis zur vollständigen Enthaftung des Finanzkredits Zugriff auf die Dokumente haben. Die notwendigen Aufbewahrungsfristen können dabei je nach Haftungszeitraum die allgemeinen gesetzlichen Aufbewahrungsfristen überschreiten.