ii) Zur Kritik der Zweistufentheorie
Die Zweistufentheorie als Verfahrensmodell für die Inanspruchnahme staatlicher Leistungen mit vertraglicher Abwicklungskomponente wird in der juristischen Literatur vielfach kritisiert, vor allem auf dem Gebiet des Subventionsrechts. Die Trennung in eine öffentlich-rechtliche erste und eine zivilrechtliche zweite Stufe sei künstlich und z.T. eine reine Fiktion, sie spreche unterschiedliche Rechtsgebiete mit Unsicherheiten hervorrufenden unterschiedlichen Rechtswegen an, sie führe zu einem unklaren Verhältnis beider Stufen zueinander und sei spätestens seit In-Kraft-Treten des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) im Jahre 1977 ohnehin entbehrlich, da § 54 VwVfG eine einheitlich öffentlich-rechtliche Regelung des gesamten Sachverhaltes enthalte. Teilweise wird aus diesen Überlegungen auch abgeleitet, dass es der Verwaltung verwehrt sei, weiterhin in das Zivilrecht zu „flüchten“.
Im Gegensatz hierzu steht die Praxis und die diese bestätigende Rechtsprechung. So hat der Bundesgerichtshof in einer unmittelbar die Exportkreditgarantien betreffenden Entscheidung das Recht des Bundes nicht in Frage gestellt, die Abwicklung von Exportkreditgarantien zivilrechtlich zu regeln.
Eine solche Regelung ist sicherlich auch nicht zu beanstanden, wenn – wie dies bei den Exportkreditgarantien der Fall ist – im Gewährleistungsvertrag die prinzipielle Gleichstellung der Vertragsparteien gewahrt ist und durch die Zuordnung zum Zivilrecht keine Verkürzung der Rechte der Deckungsnehmer erfolgt. Zutreffend ist zwar, dass die Ausgestaltung der Exportkreditgarantien nicht durchgehend vom Prinzip der Gleichstellung der Vertragsparteien bestimmt ist. Schon heute befinden sich in den Allgemeinen Bedingungen Bestimmungen, die für privatrechtliche Verträge zumindest ungewöhnlich sind (insbesondere: Umschuldungsklausel, § 14 AB (G)). In zunehmenden Umfang werden die Exportkreditgarantien auch internationalen Regeln unterworfen, die den Katalog der Rechte und Pflichten im Gewährleistungsvertag beeinflussen.
Obwohl staatliche Interessen und Verpflichtungen in den Bereich der vertraglichen Abwicklung immer stärker hineinwirken, ist es aber bisher gelungen, die erforderlichen Regelungen im Gewährleistungsvertrag zivilrechtskonform umzusetzen. Dies gilt etwa für die jüngeren internationalen Entwicklungen, wie etwa Umweltauswirkungen oder Korruption: Hier arbeitet der Bund mit dem im privaten Versicherungsrecht bekannten Instrument der Obliegenheit (Wahrheit der Angaben im Antragsverfahren); er kann sich aus vertraglich eingegangenen Verpflichtungen nur lösen, wenn sich die Angaben zu den Umweltauswirkungen oder zur Korruptionsfreiheit als unwahr herausstellen (Obliegenheitsverletzung). Hingegen behält sich der Bund unter einem geschlossenen Gewährleistungsvertrag keine einseitigen Gestaltungsrechte oder Berechtigungen vor.
Dort, wo sich der Bund jenseits internationaler Implikationen Wahlrechte vorbehält (z. B. Gerichtsstandsklausel in § 22 AB (G)), nutzt er lediglich privatrechtliche Gestaltungsformen. Schließlich genießen die Deckungsnehmer als Vertragspartner des Bundes immer auch den Schutz des AGB-Rechts. Die bereits erwähnte Umschuldungsklausel ist also nicht repräsentativ – dies bereits deshalb, weil politische Schäden und damit Umschuldungsverfahren insgesamt ihre Bedeutung weitgehend verloren haben und der Bund deshalb z.T. bereits dazu übergegangen ist, die Umschuldungsklausel auf ein unkritisches Maß zu reduzieren (z. B. bei der APG-light).
Soweit sich Unsicherheiten daraus ergeben, dass nicht völlig eindeutig ist, ob die öffentliche Verwaltung auf der zivilrechtlichen Stufe nur zivilrechtlichen Bindungen oder auch öffentlich-rechtlichen Bindungen unterworfen ist, ist dies zumindest für die Praxis klar entschieden: Der Bund unterliegt auch auf der zivilrechtlichen Ebene öffentlich-rechtlichen Bindungen, insbesondere dem Gleichbehandlungsgrundsatz (Lehre vom Verwaltungsprivatrecht). Auch die rechtlich umstrittene Frage der Verknüpfung von Verwaltungsakt der 1. Stufe und Zivilrechtsvertrag der 2. Stufe ist für die Praxis entschieden: Nach Abschluss des Gewährleistungsvertrages regelt sich das Rechtsverhältnis zwischen Bund und Deckungsnehmer nur noch nach dem Gewährleistungsvertrag. Was dort nicht von vornherein vorgesehen ist, kann auch nicht unter Verweis auf die öffentlich-rechtliche Basis dort nachträglich hineinspielen. Dem zivilrechtlichen Regime unterwirft sich auch der Bund hinsichtlich seiner eigenen Rechtsstellung.
Festzuhalten ist, dass die Rechtsstellung des Bürgers im öffentlichen Recht insgesamt „benutzerfreundlicher“ ist als im Privatrecht: Nur im Bereich des öffentlichen Rechts gilt das Verwaltungsverfahrensgesetz, das dem Betroffenen Akteneinsichtsrechte gewährt und Anhörungs- und Begründungspflichten statuiert. Prozessual ist die Stellung des Bürgers im Verwaltungsprozess durch den Untersuchungsgrundsatz (§ 86 VwGO) günstiger als im Zivilprozess, und auch unter Kostengesichtspunkten stellt sich der Verwaltungsprozess aus der Sicht des Bürgers als günstiger dar. Allerdings geht es bei den Exportkreditgarantien auch nicht um das normale Bürger-Staat-Verhältnis, sondern dem Staat treten kommerziell tätige Unternehmen gegenüber. Weiterhin gelten die aufgezählten Vorteile des öffentlichen Rechts sämtlich für die erste Stufe, auf der es um die wichtigere Frage geht, eine Deckung überhaupt zu erhalten (siehe auch Verwaltungsverfahrensgesetz). Und außerdem haben sich auch im Bereich der privatrechtlichen Abwicklung – vor allem im Entschädigungsverfahren – Verfahrensmuster etabliert, die dem Schutz der Interessen des Deckungsnehmers in besonderer Weise dienen.